Laptop mit einer Einkaufswebseite, eine Hand hält eine Kreditkarte

Personalisierte Werbung im Internet – Was denken Laien, was denken Experten und welche Schritte sind notwendig, um personalisierte Werbung verständlicher zu gestalten?


Personalisierte Werbung ist ein großer Bestandteil des Internets geworden. Das hat seinen Grund, denn sie finanziert auf der einen Seite viele kostenfreie Angebote wie Handyspiele & freie Zeitungsartikel, birgt auf der anderen Seite allerdings auch Risiken für Nutzende im Bezug auf deren personalisierte, teils unkontrollierte Datenweitergabe. Laut Statistas “Digital Advertising Report” (2022) kommt 86% der globalen Werbeumsatzverteilung für 2022 aus Programmatic Advertising – und darin wird der Großteil mit personalisierten Daten verdient. 

Der Vize-Präsident des Europäischen Forschungsrats Gerd Gigerenzer beschrieb das Phänomen in einem seiner Bücher als  “The Free Coffeehouse”: Es gibt gratis Kaffee im Free Coffeehouse – insofern gibt es keine alternativen Cafés mehr – weil sich die meisten Menschen in dem “günstigeren” Café treffen wollen. Aber das hat einen Haken: Das Free Coffeehouse ist voll mit Kameras, Mikrofonen & Verkäufer*Innen, die für den Kaffee zahlen, einem dafür aber ständig ins Wort fallen, während man versucht sich mit  Freunden zu unterhalten. Im Internet ist der Prozess natürlich deutlich subtiler.

Doch wie wird Personalisierung im realen Leben von Nutzenden wahrgenommen? Das Projekt „Sicher im Datenverkehr“ (SiD) untersucht, wie alltägliche Internetnutzende & Expert*Innen die Personalisierung von Werbung und Inhalten erleben und welche Risiken und Vorteile sie sehen und ob diese übereinstimmen.

Zwischen Consent Fatigue & Privacy Erwachen

Aus Sicht eines Unternehmens, das Cookie-Banner anbietet, sehen wir aktuell zwei gegenläufige Trends:

  • Consent Fatigue: Nutzende sind “genervt” von Cookie-Bannern und reagieren irgendwie – Hauptsache die Banner verschwinden schnell.
  • Privacy Erwachen: Nutzende nehmen sich Zeit, klicken auch auf weitere Ebenen im Cookie-Banner und treffen dedizierte Entscheidungen. Das sehen wir aktuell in der Datenbank von Usercentrics. 

Die Herausforderung der Transparenz & der Konsequenz

Ein grundsätzliches Problem hierbei ist, dass viele Nutzende unsicher sind, welche Daten wann verarbeitet werden, wofür diese genutzt werden und welche Risiken damit verbunden sind. Cookie-Banner oder Consent Management Plattformen, die für Aufklärung sorgen sollen, werden häufig als komplex und damit nicht immer hilfreich empfunden. Ein großes Problem ist dabei, dass viele Cookie-Banner zwar über die Kategorien und Technologien auf der Website oder in der App informieren, ebenso warum diese verwendet werden, aber nicht zwangsläufig über die Konsequenzen einer Einwilligung für Nutzende. Konsequenzen können sein, dass ein Youtube-Video geladen werden darf (Mehrwert), dafür aber personenbezogene Daten an Google weitergeleitet werden (Risiko). Die Intransparenz der Datenverarbeitung ist dabei ein zentrales Problem. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Ergebnis der Laieninterviews im Forschungsprojekt gezeigt hat, dass die meisten Konsumierenden nicht wissen, was mit ihren Daten geschieht, nachdem sie einem Cookie-Banner zugestimmt haben.

Risiken der personalisierten Werbung

Personalisierte Werbung birgt verschiedene Risiken:

  • Eingriffe in die Privatsphäre: Nutzende haben nur bedingt Einblicke in und  Kontrolle über die Verarbeitung ihrer Daten. Die Art der erhobenen Daten, die daraus abgeleiteten Informationen und der Umfang, in dem diese Informationen geteilt werden, können die Privatsphäre beeinträchtigen. 
  • Nudging zur Kaufentscheidung: Durch die Analyse von personalisierten Daten können Unternehmen ein Bild von den Präferenzen und Interessen von Nutzenden gewinnen und diese einsetzen, um eine Kaufentscheidung zu beeinflussen.
  • Materielle und gesundheitliche Schäden: Nutzende können dazu verleitet werden, Produkte zu kaufen, die sie nicht benötigen oder die nicht ihren Interessen entsprechen. Die gezielte Ansprache gefährdeter Gruppen kann zu physischen und psychischen gesundheitlichen Schäden führen.

Nutzer*Innenerfahrungen und Reaktionen

Aus den Interviews konnten wir herleiten, dass sich Nutzer*Innen in 3 Gruppen unterteilen lassen. 

Es gibt eine Gruppe, die personalisierte Werbung oft als aufdringlich und unheimlich empfinden, da sie nicht verstehen, wie diese technisch funktioniert. Eine weitere, die aktiv versucht, unerwünschte Datenerfassung zu vermeiden, indem sie beispielsweise Ad-Blocker verwendet, sich bei Cookie-Banner zum Ablehnen entscheidet, Alternativen nutzt wie andere Suchmaschinen oder ihre Einstellungen beim Browsen oder in Betriebssystemen reguliert. Letztlich gibt es noch eine dritte Gruppe, die sich weitgehend indifferent gegenüber Themen wie Datenschutz verhält. 

Vorteile der Personalisierung

Trotz der Kritik sehen viele Nutzende auch Vorteile in der personalisierten Werbung:

  • Personalisierte Empfehlungen: Personalisierte Inhalte und Empfehlungen können die Erfahrung verbessern, indem sie relevante Informationen und Produkte schneller auffindbar machen.
  • Zeitersparnis durch Effizienz: Funktionen wie automatische Logins und personalisierte Startseiten machen das Surfen im Internet angenehmer und effizienter und schneller. 
  • Frei verfügbare Angebote: Aktuell finanzieren sich viele frei verfügbare Angebote durch personalisierte Werbung. Besonders Wetterdienste & Handyspiele monetarisieren Nutzer*Innendaten, um ihr Geschäftsmodell zu finanzieren.

Differenzierung der Zwecke und Grundrechtsrisiken

In mehreren Workshops und nach diversen Interviews sind wir auf differenzierte Zwecke personalisierter Werbung gekommen, um die spezifischen Grundrechtsrisiken besser zu verstehen. 

Dazu gehören:

  • Re-Targeting: Zielt darauf ab, Nutzende, die bereits Interesse gezeigt haben, zum Kauf zu bewegen, indem sie auf verschiedenen Websites und Geräten verfolgt werden.
  • Profiling-basierte Personalisierung: Erstellt individuelle Interessenprofile durch Beobachtung des Nutzendenverhaltens über einen längeren Zeitraum.
  • Kohortenbasierte Personalisierung: Teilt Nutzende in Gruppen ein und ordnet ihnen Interessenprofile zu.
  • Kontextbezogene Werbung: Platziert Anzeigen basierend auf dem Inhalt der Seite, ohne personenbezogene Daten zu verarbeiten.
  • Leistungsmessung: Misst den Erfolg der Werbung, wobei die Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre je nach Messverfahren variiert.

Die Rolle der Forschung und die nächsten Schritte

Das Projekt SiD zielt darauf ab, die Lücke zwischen den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der tatsächlichen Umsetzung zu schließen. Wir möchten besser verstehen, wie Nutzende digitale Dienste wahrnehmen, um Aufklärungs- und Einwilligungsprozesse zu verbessern. 

Schlussfolgerung

Personalisierte Werbung bietet sowohl Vorteile als auch Risiken. Sie erzeugt einerseits Arbeitsplätze, nötigt teilweise aber auch Konsumenten in Entscheidungen, die sie ohne personalisierte Werbung womöglich nicht getroffen hätten. 

Entscheidend ist die Transparenz und Informiertheit der Datenverarbeitung zu erhöhen, Nutzende über ihre Rechte aufzuklären und datenschutzfreundliche Technologien zu fördern. Als Vorreiter sehen wir bereits Institutionen, die versuchen Datenschutz verständlicher darzustellen wie beispielsweise das “Office of the Privacy Commissioner of Canada” mit Comics, die “Privacy Icons Associations” in der Schweiz mit Datenschutz-Icons oder auch einige Consent Management Anbieter, die vermehrt versuchen Einwilligungen in den Kontext zu verlagern. Kontext bedeutet, Nutzende im Moment der Datenerzeugung über die Datenerzeugung zu informieren: “Sie wollen ein Youtube-Video auf einer Website ansehen? Dafür müssen Sie einwilligen.”

Autor: Tilman Harmeling, 13.03.2025


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